Wie wir fünfzehn Eichen gepflanzt haben.
«Es hat funktioniert!» Es dauert einen Augenblick bis ich kapiere, dass mein Schüler die Eiche meint. Aber der Reihe nach.
Einen Monat vorher: Mit meinem Sohn bin ich im Wald auf Schatzsuche. Vierjährige sind herrlich, nach jedem Waldbesuch sind unsere Taschen voll mit Schätzen, die Ben unterwegs entdeckt. Diesmal ist es eine keimende Eichel, die uns fasziniert. Es scheint ein Eichenjahr zu sein – unzählige Eicheln liegen am Boden und regelmässig ist das Geräusch von den Nüssen zu hören, die am Boden aufschlagen. Als wir den winzigen Trieb an der Nuss unter die Lupe nehmen, kommt mir eine Idee...
Beim nächsten Waldnachmittag zeige ich meinen Schülerinnen und Schüler Bens gefundene Eichel. «Wer findet eine Eichel, die bereits spriesst?» Die Jugendlichen schwärmen aus, den Blick auf den Boden gerichtet. Nicht lange und ich vernehme die ersten Erfolgsausrufe. Bald hat jeder seinen Briefumschlag mit mehreren Eicheln, deren Schale gespalten ist oder sogar ein Trieb sichtbar ist.
Zwei Wochen verbringen die gesammelten Eicheln in meinem Kühlschrank. Denn wir haben recherchiert, dass Eicheln nur nach einer längeren Periode mit kühlen Temperaturen keimen. Im Schulzimmer pflanzt dann jeder seine Eichel in einem Topf. Nun heisst es warten...
Und dann kommt der Tag! Ich bin gerade mit einer Schülerin im Gespräch, als uns Colin, ein Siebtklässler, lauthals unterbricht: «Es hat funktioniert! Frau Schelb, die Eiche wächst tatsächlich!» Stirnrunzelnd drehe ich mich zu ihm hin. Und sehe, wie er auf seinen Topf zeigt. Ein kleines zierliches Pflänzchen reckt den Kopf in die Höhe. Und kaum erkennbar beginnt sich ein erstes Blatt auszurollen. Ihr hättet das Siegesgeheul der Jugendlichen sehen sollen. So ganz sicher bin ich mir nicht, ob sie daran geglaubt haben, dass in ihrem Topf auch wirklich etwas wächst. Umso grösser ist nun die Aufregung bei der Entdeckung der ersten Pflanze. So schön, wie sehr sich Jugendliche begeistern lassen können...
Mittlerweile ist bei den meisten Töpfen ein Pflänzchen gewachsen. Und wenn ich unsere Eichen (na ja, eine Verkleinerungsform von Eiche gibt es wohl nicht) betrachte, freue ich mich jedes Mal über das strahlende Gesicht von Colin, der als erstes «seine Eiche» entdeckt hat. Die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse war ihm in dem Moment gewiss. Jeder wollte seine Eiche sehen.
Die Lernwelt der Natur ist ideal, um bei den Kindern und Jugendlichen – im eigentlichen sowie im übertragenen Sinn – einen Samen zu säen. Und damit Voraussetzungen zu schaffen, um nachhaltig mit Ressourcen von Mensch, Gesellschaft und Natur umgehen zu können.
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