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  • AutorenbildRahel

Heute habe wir eine Tanne gefällt.

Wie wir zu Sitzbänken für unser Waldschulzimmer kommen.


Letzthin waren wir im Wald und haben eine Tanne gefällt. Also eigentlich war es der Grossvater von zwei Jungs aus meiner Klasse, er hat sie gefällt. Aber das ist nicht der Anfang der Geschichte.

Dies ist eines unserer Projekte im Waldschulzimmer. Mein Ziel dabei ist ein Unterricht, in dem meine Jugendlichen auf vielseitige und vielschichtige Art lernen können.


Erst war da die Idee, Sitzbänke für unser Waldschulzimmer zu bauen. Also haben wir uns überlegt, was es dafür braucht. Geld hatten wir nämlich keines dafür. Wie also vorgehen? Vielleicht wäre ja ein Landbesitzer bereit, uns einen Baum aus seinem Waldgrundstück günstig zu überlassen? Wir könnten ihm ja einen grossen Kuchen backen dafür. Oder seinen Rasen mähen? Meine Jugendlichen hatten so einige unkonventionelle Ideen für eine Gegenleistung.



Im Klassenzimmer haben wir uns mit einem Klappmeter überlegt, welches die optimale Breite für eine Sitzbank ist und wie wir sie bauen wollen. Daraus berechneten wir, wie viel Holz wir brauchen: Wie lang muss der Baumstamm sein, damit wir daraus acht Sitzbänke

bauen können? Der Vater einer Schülerin, ein Zimmermann, gab uns den Tipp, dass sich eine Tanne am besten eignet für die Sitzbänke. Tanne ist langlebiger als Buchenholz. Nun ist unser Zielobjekt also schon ziemlich klar: Wir brauchen eine Tanne, die über mindestens neun Meter einen genügenden Stammdurchmesser bietet.





Ein paar meiner Jungs beschlossen, sich mal auf die Suche zu machen, wo denn eine Tanne zu finden ist, die nahe am Wegrand steht. Mit dem Moped erkundeten sie den Waldrand von unserem Dorf und erstatteten uns anschliessend Bericht. Als nächstes galt es herauszufinden, wem das Land wohl gehört, auf dem sie eine Tanne gefunden hatten, die unsere Kriterien erfüllte. Ich schickte sie zur Gemeindeverwaltung. Da hängt ein grosser Zonenplan unseres Dorfes an der Wand. Es stellte sich heraus, dass sich die Tanne auf Gemeindeland befindet. Ob das nun gut oder schlecht für uns ist? Wir diskutierten. Die Jugendlichen waren mehrheitlich der Meinung, dass dies positiv sei, der Gemeinde käme es vielleicht nicht so sehr auf einen Baum mehr oder weniger an.


Bald wussten wir: Der Förster ist die Schlüsselperson. Wenn er uns die Erlaubnis gibt, dürfen wir diese Tanne fällen. Meine Klasse hat Schere Stein Papier gespielt, wer ihn anrufen muss. Ein Achtklässler nahm schliesslich das Telefon in die Hand und erklärte dem Förster unser Anliegen. Dieser sagte ihm zu, dass wir im Herbst eine der Tanne fällen dürfen, die da oben auf dem Gemeindeland steht. Kostenlos. Wir sollten einfach zusehen, dass alles weggeräumt sei, damit der Borkenkäfer nicht komme. Wir waren unserem Ziel also einen grossen Schritt näher. Und wir lernten etwas ganz Wichtiges: Probieren geht über Studieren. Mit etwas Mut zum Fragen sind wir kostenlos zu einer Tanne gekommen.


Glücklicherweise kennt sich der Grossvater von zwei Schülern ganz gut aus mit dem Fällen von Bäumen. Und er erklärte sich bereit, die Tanne für uns zu fällen und mit der Motorsäge zu bearbeiten.



Heute war es soweit. Und als die Tanne fiel, waren wir alle ziemlich beeindruckt: 22 Meter hoch und 65 Jahre alt. Und nun sollen aus der Tanne Sitzbänke werden. Wir sind stolz. Dem Ziel, Sitzbänke für unser Waldschulzimmer zu bauen, sind wir nun einen grossen Schritt weiter.



In einem solchen Projekt stecken ganz viele Kompetenzen und Übungsfelder aus verschiedenen Fächern: Die Jugendlichen haben recherchiert, geplant, skizziert, berechnet, erkundet. Sie haben nach – manchmal auch unkonventionellen – Lösungen gesucht, Pläne gelesen, telefoniert, diskutiert, erklärt, Anliegen vorgebracht. Und vorhandenes Expertenwissen aus unserem Umfeld genutzt, etwas das ich besonders wertvoll finde. Denn ich bin Lehrerin. Vom Fällen von Bäumen habe ich keine Ahnung.


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